Reviews

Tardive Dyskinesia - "The Letter"
Kulturterrorismus

Obwohl der Kalte Krieg endete und Amerika wie Russland das Wettrüsten in Sachen Atomraketen einstellten, erlischt nicht die Bedrohung eines Atomkrieges, dessen Folgen einst der sowjetische Streifen “Briefe eines Toten” (BRD) bzw. “Briefe eines toten Mannes” (DDR) von Konstantin Lopuschanski aufzeigt, den Ronny Herling a.k.a. Tardive Dyskinesia in seiner Jugend aufsog und in “The Letter” be- bzw. verarbeitete. Vorherige Arbeiten von Tardive Dyskinesia publizierte Ronny Herling entweder im Selbstvertrieb oder über Steinklang Records, hingegen “The Letter” kam über Audiophob, dem Label von Carsten Stiller & Mirko Hentrich (Spherical Disrupted), heraus. Endlose Hoffnung eröffnet “The Letter“, dass das Ende des Films (und dessen Intention) an den Anfang stellt und Szenen wie ‘Gier nach Leben’, ‘Angst’, usw., die vom Kontext her davor gehören, dahinter einreiht, wodurch meiner Ansicht nach klar die inhaltliche Kernaussage des Albums hervorsticht, das dem Soundtrackcharakter im Übrigen nicht schadet, der zu den vielen Stärken von “The Letter” zählt. Wenn ein Projekt 5 Jahre keine nennenswerte Lebenszeichen sendet, könnte sich der Verdacht von reiflich überlegten musikalischen Veränderungen aufdrängen, die Ronny Herling an Tardive Dyskinesia zum Glück nicht vornahm, weshalb langjährige Fans die gewohnt atmosphärische Symbiose aus (Dark-) Ambient, Industrial & Electronica vorfinden, die der Protagonist selbstverständlich mit vereinzelten Sprachsamples akzentuierte. Heißt, der Ostdeutsche setzt dort an, wo er 2007 sein Schaffen vorerst beendete, weshalb Rezipienten wieder brillante Spannungsbögen ereilen, Sounds Räume im Kopf zeichnen und Beklemmung um sich greift. Komplexität dürfte ein Markenzeichen von “The Letter” sein, einem “Reißer”, der im Gegensatz zu ähnlich gelagerten Werken, nach gebannter Aufmerksamkeit verlangt, um die komplette Intensität/ Dichte dieser packenden Vorstellung zu erfassen, deren Ausdrucksvermögen von Anfang bis Ende fesselt. Insgesamt eine mitnehmende Untermalung für einen Film, den Ronny Herling mittels “The Letter” vorgibt, weshalb das Kennen von “Briefe eines Toten/ Briefe eines toten Mannes” keine Voraussetzung für das Verstehen bzw. Eintauchen in “The Letter” darstellt. Wer über ausreichend Freizeit verfügt, um “The Letter” ausgiebig zu evaluieren, erfährt ein Hörererlebnis der Extraklasse, das die Gehirnwindungen (sehr wahrscheinlich) langfristig abspeichern und bei internen Votings (vielleicht) in die “all time favorites” Charts katapultieren. Fazit: Zu meinen persönlichen Favoriten gehört Tardive Dyskinesia nicht erst seit dem Erscheinen von “The Letter”, das nahtlos an die erste große „Ära“ anschließt, wo Ronny Herling ebenfalls mit grandiosen Spannungsbögen, beklemmenden Atmosphären und melodiösen Spuren auffiel, welche sich wie auf “The Letter” einmal mehr zu einem faszinierenden Soundtrack zusammenfügen – meine absolute Empfehlung! PS: Kaufen, Kaufen, Kaufen!!!

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Tardive Dyskinesia - "The Letter"
Terrorverlag

Mit 13 Jahren sah Ronny Herling zum ersten Mal den russischen Filmklassiker „Briefe eines Toten“. Der Film über eine postatomare Apokalypse, und das noch zu Zeiten des Kalten Krieges, hinterließ tiefe Spuren bei dem Mann hinter TARDIVE DYSKINESIA. Selbst jetzt noch. Und so versucht Herling mit „The Letter“ seine Bilder und Eindrücke dieser bedrückenden und dunklen Welt, die aber auch einen Funken Hoffnung aufrechterhält, musikalisch umzusetzen. Denn auch mehr als 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs besteht eine atomare Gefahr. Musikalisch kombiniert „The Letter“ (Dark) Ambient mit Electronica und seichten Industrial-Elementen, es wechseln sich also düstere Stellen mit „positiven“ Klängen ab. Neben den Samples erklären sich auch die Field Recordings wie Atmen (durch eine Luftschutzmaske) und teilweise auch die Titel von selbst. So wird das Album durch seine Spannungsbögen zu einem Soundtrack für die Apokalypse, an deren Ende nicht der endgültige Untergang steht, sondern „Endless hope“. Aufgrund ihrer treibenden Beats sind „Greed for life“ und „Schaben“ die Anspieltipps der Scheibe. Zwei richtig gute Stücke. Der Rest ist auch durchaus hörbar, schwingt aber eher im gehobenen Mittelmaß mit. Nicht mehr … aber auch nicht weniger. Auf der Scheibe findet sich auch noch ein Remix von HEIMSTATT YIPOTASH. TARDIVE DYSKINESIA-Fans der ersten Stunde dürfen sich freuen. Trotz längerer Pause ist sich Herling musikalisch treu geblieben. Wer die Musik noch nicht kennt: eine Hörprobe ist auf jeden Fall zu empfehlen.

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2kilos &More - "Kurz Vor5"
Tardive Dyskinesia - "The Letter"
Vital Weekly, 841

Audiophob is an interesting German label grounded in 2004 with focus on industrial and IDM-ambient. Two new albums from the label has seen the light of the day. Tardive Dyskinesia is a German ambient-noise project started in 2003 by main man Ronny Herling. The project has released a number of albums on label such as Sternklang Industries and Dystonia however I had never heard of them before this latest album released on Audiophob hit may mailbox. The album titled "The letter" is a quite interesting album. Tardive Dyskinesia creates abstract electronic expressions with frequent use of subtle rhythm textures underneath floating ambientscapes. There is a great trippy atmosphere throughout the album reminiscent of early Coil. Next album is a quite different beast. 2Kilos & More is a French duo consisting of Séverine Krouch & Hugues Villette. The twosome released their debut back in 2007 and present album is their third album and the first to be shot from the Audiophob-label. The album titled "Kurz vor5" is a an atmospheric album that circulates between electronica and ambient. There are elements of IDM and industrial sounds in the textures that also adds samples of voices to further strengthen the atmosphere. Two excellent album from Audiophob. (NM)

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Tardive Dyskinesia - "The Letter"
Sonic Seducer

Nach längerer Sendepause, das letzte Album liegt bereits gut fünf Jahre zurück, meldet sich Ronny Herling mit seinem nach wie vor zungenbrecherischen Projektnamen Tardive Dyskinesia zu Wort. „The Letter“ zieht seine Inspiration aus dem russischen Film „Pisma Myortvogo Cheloveka“ („Briefe eines Toten“ bzw. „Briefe eines toten Mannes“), der das Schicksal einer Handvoll Überlebender nach einem Nuklearschlag thematisiert. Zwischen purer Verzweifelung und aufkeimender Hoffnung bewegen sich die dazu gehörigen Bunkersoundscapes. Schwere Maschinen geben einen unangenehm langsamen Takt vor, es zischt und brodelt und immer wieder wehen Stimmen ins Geschehen hinein. Wer sich dabei an Vromb erinnert fühlt, liegt damit nicht allzu weit daneben, sollte aber sofort jeden Gedanken verwerfen, es hierbei mit einem Ripoff zu tun zu haben. Dafür sind Herlings Sounds zu eigenständig und seine Inspirationsquellen zu vielfältig – man höre beispielsweise nach bei „Greed For Life“. Wann gab’s das letzte Mal Scratching in diesem musikalischen Kontext? Sascha Bertoncin

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Tardive Dyskinesia - "The Letter"
Black, 60

Handgeschriebene Briefe sind in der kommunikativen Allgegenwart des digitalen Zeitalters selten geworden, die Post zum Bringboten von Behördenschreiben, Rechnungen und Amazon-Paketen. Warum sollte man auch, widerspricht doch der Aufwand und die durch den Postweg verlängerte Wartezeit dem Rationalisierungsparadigma unserer Zeit. Nicht, dass man aufgehört hätte, Briefe zu schreiben. Eine solche Behauptung wäre unhaltbar. Dennoch spielt er im Alltag nur noch eine geringe Rolle, wird dadurch aber auch zu etwas von besonderer Qualität. E-Mails kann man löschen, sind Datensätze die ungeachtet ihres Inhaltes ungerührt von der binären lingua franca in einen für uns lesbaren, aber weiterhin körperlosen Text übersetzt werden. Gespeichert in Postfächern, eingeklemmt zwischen frisch hereingeschwämmte Viagra-Werbung, frohe Botschaften unerwarteter Erbschaften irgendwo auf den Philippinen, Bestellbestätigungen und Geschäftsverkehr. Ein Brief hingegen ist ein physisches Artefakt, in den durch Handschrift und Gestaltung, das Zusammenspiel von Schreibmaterial und Beschreibstoff ein Unikat entsteht. Wer kennt sie nicht, die sorgfältig gehütete kleine Box mit alten Papierbögen, die man bei jedem Umzug erneut durch die Republik bewegt. Wer kennt nicht das ritualisierte Entsorgen am Ende tragisch auseinandergegangener Liebschaften, aber auch das Wiederaufgreifen von Briefen längst Verstorbener. Funktional besteht zum Verschieben in den Papierkorb auf dem Desktop oder dem Öffnen des E-Mail-Programms kein Unterschied, emotional könnte er indes größer nicht sein. “The Letter”, das neue Album von TARDIVE DYSKINESIA, beschäftigt sich mit eben diesem Medium. Genauer: Dem postapokalyptischen, technologiekritischen Filmklassiker “Briefe eines Toten” (1986) aus der Sowjetunion, in dem Briefe eine zentrale Funktion haben. Der Protagonist, ein namenloser Nobelpreisträger, schreibt aus einer Bunkeranlage Briefe an seinen möglicherweise verstorbenen Sohn, in denen er Fragen an das Jetzt und die Zukunft stellt. Randnotiz: Beheizt wird der Bunker u.a. mit den Klassikern der Weltliteratur. Das auf Audiophob (u.a. SPHERICAL DISRUPTED, MANDELBROT, ZERO DEGREE und ALARMEN) erschienene Album wandelt dabei auf den Pfaden zwischen minimalistischen wie fesselnden Down-Tempo-Rhythmusstrukturen, hintergründigen Drones und reichlich Filmsamples aus der russischen Originalversion des Films. “Schaben” lädt sogar zum postapokalyptischen Mitschunkeln ein. Wie auch die cineastische Vorlage verliert sich TARDIVE DYSKINESIA nicht in einer rein dystopisch-niederschmetternden Deutung und lässt Wärme und Hoffnungsfunken aufblitzen, die der emotionalen Komplexität durchaus zuträglich sind. Mit “Ganymed” ist noch ein Remix von HEIMSTATT YIPOTASH (Hands Productions) enthalten – das Original aus dem Hause DYSKINESIA nicht. Alles in allem das bisher ausgefeilteste Album von Mastermind Ronny Herling. (APL)

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Tardive Dyskinesia - "The Letter"
Side Line

Tardive Dyskinesia is back after a 5 year hiatus. Set up by Ronny Herling this project was seriously influenced by the cinematic classic “Dead Man’s Letter”. Herling has tried to create a dark and oppressive sound universe that might be seen as a significant influence of this legendary movie. The electro-ambient sound is mainly driven by some down tempo rhythmic. The icy electronic layers create a kind of nightmarish experience accentuated by spooky and fragmented vocal parts. The tracks rapidly appeal for some visual impressions, which again is a strong link with “Dead Man’s Letter”. “Endless Hope” and “Babylon” both are exciting cuts to open the CD, but this is just a teaser for the terrific “Fear”. This cut sounds a bit harder for the sounds while it remains driven by a slow rhythm. Dark sound waves and ghost-like vocals inject a mysterious accentuation. “Hypnophobia” coming next is another amazing cut. The ingredients are still similar and based on dark and mysterious atmospheres. I also have to mention “Schaben” and “Lust”. Both pieces excel in sound sculptures creating an impressive and heavy ambient sound. Audiophob once more introduce us to the most intelligent and sophisticated compositions of electro-ambient and IDM. This album is like a new start for Tardive Dyskinesia and I’m sure it will be acclaimed by all electro freaks in search of creative and intelligent music. A must have! (DP:8/9)DP.

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